Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832)

Johann Wolfgang von Goethe (Lithographie, vgl. StadtMuseum Bonn, SMB 2003/44)

Am 25. September 1831, nur wenige Tage nach ihrem 12. Geburtstag, brach Clara mit ihrem Vater Friedrich Wieck in Leipzig zu ihrer ersten Paris-Reise auf. Für Clara Wieck, die zuvor „nur“ in Leipzig, Dresden und Altenburg aufgetreten war, war es zugleich die erste große Konzertreise. Bevor sie Paris im Februar 1832 erreichten, wurden viele Zwischenstationen, natürlich mit Konzertauftritten, eingelegt – und die erste Station war vom 26. September bis 12. Oktober 1831 Weimar.

Friedrich Wieck organisierte in Weimar die nötigen Kontakte in der gehobenen Gesellschaft, um seine Tochter bekannt zu machen und Auftrittsmöglichkeiten an Land zu ziehen. Nach ersten enttäuschenden Besuchen (Friedrich Wieck notierte ins Tagebuch: „…zu dem OberhofMarschall von Spiegel, der uns in der übelsten Laune, nachdem uns ihn der Bediente nicht einmal sprechen lassen wollte, alles abschlug und das Spiel der Clara auch nicht auf dem Theater zulassen wollte. […] Die Großfürstin leidet sehr am Gehör u treibt auch gegenwärtig keine Musik mehr. […]“) fand Friedrich Wieck aber schnell Anklang u.a. bei dem Geheimen Regierungsrat Christian Friedrich Schmidt, „ein enthusiastischer Verehrer von Beethoven“ (Jugendtagebücher, S. 67), auf dessen musikalischer Gesellschaft Clara spielen durfte, und dem Oberbaudirektor des Großherzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach, Clemens Wenzeslaus Coudray, der den Kontakt zu Goethe vermittelte.

Am 1. Oktober 1831 wurde Clara Wieck und ihrem Vater Audienz bei dem 82-jährigen Goethe am Frauenplan gewährt: „Wir fanden ihn lesend und der Bediente führte uns ein ohne weitere Anmeldung, nachdem er uns den Tag vorher zu dieser Zeit hatte bestellen lassen. Er empfing uns sehr freundlich; Clara mußte sich zu ihm auf das Sopha setzen. Bald darauf kam seine Schwiegertochter [Ottilie von Goethe] mit ihren beiden sehr geistreich aussehenden Kindern v. 10 – 12 Jahren… Clara wurde nun aufgefordert zu spielen und spielte la Violetta v. Herz. Während des Spiels kam noch mehr Besuch u sie spielte dann noch Brav.Var v. Herz O. 20. – Goethe fällte über die Composition und das Spiel der Clara ein sehr richtiges Urtheil nannte die Comp.[osition] heiter, und französisch picant und rühmte Claras richtiges Eindringen in diesen Character. So hatten wir denn denjenigen gesprochen, was viele Fremde vergebens wünschen.“ (ebd., S. 68).

Schließlich konnte Clara Wieck am 7. Oktober auch ein öffentliches Konzert im Stadthaus in Weimar geben, vor 500 Zuhörern spielte sie u.a. Pixis’ Klavierkonzert op. 100, Chopins Variationen über 'La ci darem la mano' op. 2 und Herz’ Bravour Variationen op. 20. „Die noch so junge Künstlerin erntete schon in dem ersten Stücke den rauschendsten Beyfall, der in den folgenden bis zum Enthusiasmus stieg. Und wirklich ist die grosse Fertigkeit, Sicherheit und Kraft, mit der sie auch die schwierigsten Sätze leicht und spielend vorträgt, weit mehr aber noch das Geist- und Gefühlvolle ihres Vortrags, der kaum etwas zu wünschen übrig lässt, höchst bewundernswürdig. Dem. Wiek [sic] spielte vorher mit grossem Beyfalle bey Hofe und vor und nach dem Concerte in mehreren Privatzirkeln…“, berichtete die Allgemeine musikalische Zeitung (Nr. 12 vom 21.3.1832, Sp. 196 f.).

Goethe soll geurteilt haben: „Ueber Clara’s Darstellung vergißt man die Composition.“ (Jugendtagebücher, S. 69) und ein anderes Mal: „das Mädchen hat mehr Kraft als 6 Knaben zusammen“ (ebd., S. 70); nach ihrem zweiten Besuch bei Goethe am 9. Oktober erhielt Clara von ihm eine Bronze-Medaille mit seinem Brustbild und der Widmung: „der kunstreichen Clara Wieck“.

Am 12. Oktober fuhren Clara und Friedrich Wieck, mit vielen Empfehlungsschreiben für weitere Städte und wertvollen neuen Stammbuchblättern, nach Erfurt weiter. Clara ist in Weimar später, in den 1840ern und 1850ern, noch mehrere Male aufgetreten – am 5. September 1840 gab sie wenige Tage vor ihrer Hochzeit mit Robert Schumann ihr letztes Konzert als Clara Wieck im Weimarer Stadttheater.

Clara Schumann besuchte 1888 mit ihren erwachsenen Töchtern Marie und Eugenie in Weimar nach langer Zeit noch einmal das Goethe-Haus, das nach dem Tod des Enkels Walther von Goethe (1818–1885) als Museum zugänglich war, und sah ihr ganzes Leben an sich vorbeiziehen: „Im Goethehaus fand ich das Clavier (einen Streicher) noch im selben Zimmer an derselben Stelle, wo ich im Jahre 1831 bei ihm gespielt hatte. – Das berührte mich ganz eigen! ein ganzes Leben hat sich seitdem abgespielt – wie ein Chaos kam es Einem vor ...“ (Litzmann, Clara Schumann, Bd. 3, S. 503).

„Was aber meine Mutter erlebt, gelitten und geleistet hatte, kam doch nirgends so zum Ausdruck wie in ihren Händen. […] In späterem Alter wurden sie den Händen Goethes so ähnlich, daß Leute, die einen Abguß von Goethes Hand sahen, ausriefen: Das ist ja Frau Schumanns Hand!“ (Eugenie Schumann, Erinnerungen, S. 118 f.)

Vgl. Clara Schumann. Ein Künstlerleben. Nach Tagebüchern und Briefen von Berthold Litzmann. Erster Band: Mädchenjahre 1819‒1840, Leipzig 1920, S. 27–31, 410; vgl. Clara Schumann. Ein Künstlerleben. Nach Tagebüchern und Briefen von Berthold Litzmann. Dritter Band: Clara Schumann und ihre Freunde 1856‒1896, Leipzig 1923, S. 503.

Vgl. Eugenie Schumann. Claras Kinder. Erinnerungen. Mit einem Nachwort von Eva Weissweiler und Gedichten von Felix Schumann, Berlin 1999, S. 118–119.

Vgl. Clara Wieck, Jugendtagebücher 1827‒1840, hrsg. von Gerd Nauhaus und Nancy B. Reich unter Mitarbeit von Kristin R.M. Krahe, Hildesheim 2019, S. 67–72.

(Theresa Schlegel, 2020)