Die Tonkunst

April 2010
Nr. 2, Jg. 4 (2010), Seite 279-280


Ute Bär: … und denke an mein theures Zwickau
Robert Schumanns Kindheit und Jugend, Stuttgart (Hohenheim) 2009

Eine separate umfassende Darstellung von Schumanns Zwickauer Zeit, der Kindheit und Jugend, gab es bisher nicht, sieht man von einer kleinen Broschüre unter diesem Titel ab, die das Robert-Schumann-Haus Zwickau in zwei Auflagen mit unterschiedlichen Texten von Martin Schoppe und Gerd Nauhaus herausbrachte. Natürlich enthalten die diversen biographischen Schumann-Bücher in der Regel jeweils ein Zwickau-Kapitel, und in dem splendiden Katalog-Begleitbuch der großen Schumann-Ausstellung von 2006 (»Zwischen Poesie und Musik«, hgg. von Ingrid Bodsch und Gerd Nauhaus, Bonn [u. a.] 2006) sind die biographisch-literarischen wie die musikalischen Aspekte des Jugend-Themas breit behandelt. Doch was Ute Bär in ihrem ansprechenden Bändchen bietet, geht in Zielsetzung und Realisation noch um einiges darüber hinaus. Die Autorin, seit 1992 als Mitarbeiterin der Neuen Schumann-Gesamtausgabe im Robert-Schumann-Haus tätig, hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Zwickau-Besucher »auf Schumanns Spuren« durch die Geburtsstadt des Komponisten geführt und im Jubiläumsjahr 2006 darüber hinaus eine größere Artikelserie zum Thema im Lokalblatt »Freie Presse – Zwickauer Zeitung« veröffentlicht.

Durch glückliche Umstände ergab sich nun die Gelegenheit zur Buchveröffentlichung im Stuttgarter Verlag des aus Zwickau stammenden Ulrich Frank-Planitz, in dem bereits eine Reihe sachsen-spezifischer Darstellungen, u. a. von Erich Loest, dem Maler Wolfgang Mattheuer oder dem Theologen Richard Schröder, erschienen sind.

In dreizehn Kapiteln, denen meist ein einschlägiges Zitat Schumanns oder seiner Frau Clara vorangestellt ist, behandelt Ute Bär sowohl die Kindheits- und Jugendjahre selbst, als auch – was den Informationswert des Buches erhöht – die Nachwirkungen von Schumanns Leben und Schaffen in Zwickau bis in die Jetztzeit. Dabei sind die Stoffmengen so verteilt, dass nur die ersten fünf Kapitel die eigentliche Zwickauer Zeit umfassen und die Stadtentwicklung und Topographie, das Elternhaus, die Verlagsbuchhandlung des Vaters, Freunde und Schulkameraden, die Schulverhältnisse selbst sowie Schumanns umfangreiche musikalisch-literarische Aktivitäten behandeln. Dem Erzähltext sind dabei eine Reihe kürzerer und längerer Originalzitate (darunter Briefe und einer von Schumanns bisher unveröffentlichten Schulaufsätzen in der Übertragung des Rezensenten) sowie farbige und schwarz-weiße Abbildungen beigegeben. Drei weitere Kapitel behandeln Schumanns Studienzeit in Leipzig und Heidelberg, das Verhältnis zu den das damalige Zwickauer Musikleben prägenden Persönlichkeiten, seinem Lehrer Kuntsch und dessen Nachfolger Klitzsch sowie, damit zusammenhängend, das erste Schumannfest von 1847, das den Beginn der Zwickauer Schumannpflege markiert.

Deren Entwicklung wird anschließend in den fünf Schlusskapiteln nachgegangen, wobei der Historie des 1901 errichteten Schumann-Denkmals (vgl. den Aufsatz von Ute Bär in: Schumann Studien 9, Sinzig 2008) breiter Raum gewidmet ist. Daneben schildert die Autorin Clara Schumanns Konzertauftritte in Zwickau, die Entwicklung der Schumann-Feste bis zur Gründung des Schumann-Museums (1910), der Schumann-Gesellschaft (1920/1957) bzw. des Robert-Schumann-Hauses (1956) sowie die weitere Entfaltung der Schumann-Pflege in künstlerischer und wissenschaftlicher Hinsicht bis zur unmittelbaren Gegenwart und dem Ausblick auf das im Juni 2010 bevorstehende Schumann-Fest zum 200. Geburtstag des Komponisten. Ein Anhang bringt schließlich einen bisher ungedruckten Brief von Schumanns Mutter zum 25. Geburtstag des jüngsten Sohnes, der das Desiderat einer Gesamtveröffentlichung des Briefwechsels (geplant im Rahmen der im Gange befindlichen Schumann-Briefedition) ebenso zum Bewusstsein bringt wie deren Schwierigkeiten, die zum erheblichen Teil in der oft geradezu abenteuerlichen Ausdrucksweise und Orthographie Christiane Schumanns begründet sein dürften – man vergleiche den genannten, nur abschriftlich überlieferten und augenscheinlich in diesem Betracht »regulierten« Brief (185ff.) mit dem originalgetreu wiedergegebenen Zitat von 1829 (86f.).
 
Insgesamt bietet Ute Bärs Buch vielseitigen und interessanten Lesestoff, den es in dieser Konzentration bisher nicht gab und der auch äußerlich ansprechend dargeboten ist: Die Ausstattung des Bandes überzeugt, das Schriftbild ist angenehm, die zahlreichen Abbildungen sind meist von guter Qualität, zur zusätzlichen Information dienen mehrere Kartenskizzen im Vorsatz. Was das Lesevergnügen häufig trübt, ist die selbst für heutige Verhältnisse ungewöhnlich hohe Anzahl der Druck- und Satzfehler wie z. B. Sei- statt Sedimenten (16), omnio statt omnino (59), die falsche Jahreszahl 1949 statt 1940 für Martin Kreisigs Todesjahr (155) und der Name des zweiten Schumannhaus-Direktors Gerhard Bank statt Gerhardt Blank (176) – da möchte man argwöhnen, es habe entweder keine Autor- oder keine Verlagskorrektur stattgefunden. Dennoch: ein für alle an Schumann Interessierten unverzichtbarer Band!
[Gerd Nauhaus]